Leucht und glüh, Weihnachten!
19.12.2024 Kolumnen, Uttwil , Salmsach, RomanshornLeucht und glüh, Weihnachten!
Wenn der Schnee sehr leise rieselt
oder Regen kälter nieselt,
wenn die Nächte lichtdurchflutet
und das Herz zur Kindheit blutet
gibt’s an allen Landesecken
Weihnachtsmärkte zu entdecken:
Hier ein Stand mit Süssigkeiten,
Christbaumschmuck aus alten Zeiten,
dort kann man mit eignen Händen
Kerzen ziehen. – Oder spenden.
Spenden, ganz im Sinn des Denkens:
Weihnacht ist das Fest des Schenkens.
Also lenk ich meine Schritte
vor den Stand, wo in der Mitte
eine Infotafel steht:
«Glühwein für den Nordtibet».
Gerne zück’ ich einen Schein,
trink aufs fremde Land den Wein,
fühle mich wohltätig-heiter,
schreite leichten Herzens weiter.
Ich entdeck an weitern Ständen
Möglichkeiten, Geld zu spenden:
Für die Kinder ohne Väter,
gegen fiese Attentäter,
für den WWF und später
für den Strahlenschutz im Äther;
auch für Menschen, welche schwächer
werde ich zum Glühwein-Zecher.
Ich halt noch mein Glühgesöff,
in der Hand, da hör ich: «Stöff,
willst du unser Blatt nicht wenden
und für meinen Wahlkampf spenden?»
Also schwanke ich spendabel
hin zum Sender der Vokabel,
schenke ihm Gehör und Schein
– und er mir den Glühwein ein.
Alsbald scheinet sich im Stehen
alle Welt um mich zu drehen.
Selbst der Sänger, der zuvor
störend klang in meinem Ohr
tönt schon wie ein Engelchor.
Ich trink auf die Caritas,
gegen jeden Fremdenhass,
auf den Frauenbund vom Ort,
für... und gegen... und so fort.
Und mit jedem Spendentopf
glüht er mehr, mein Glühweinkopf
und die Beine scheinen bleiern.
Also trinke ich aufs Feiern.
Plötzlich hör ich jene leiern,
die auch anderer gedachten:
«Na dann: frohe Glüh-wein-nachten!»
Christoph Sutter
verse.ch