«Geht es den Kindern gut, geht es der Schweiz besser»

  26.01.2024 Schule&Bildung, Romanshorn

Die Primarschule und die Stadt gleisen ein Konzept zur «Frühen Förderung» auf: Am Mittwoch machte Professor Dr. Martin Hafen aus Basel klar, wie nötig Massnahmen dazu sind. Der Abend diente auch der Vernetzung der beteiligten Fachpersonen.

Die gesunde Entwicklung der Kinder ist der Primarschule und der Stadt gleichermassen ein grosses Anliegen, um nicht zu sagen: Es ist ein überaus wichtiges Investitionsprojekt dieser Körperschaften, stellten Hanspeter Heeb und Roger Martin gleich zu Anfang fest. Und für die Erwachsenenbildnerin Maya Mulle, die den Informationsabend moderierte, gelte es, zum einen die Grundlagen einer wirksamen Politik der Frühen Kindheit vorzustellen und anderseits ein umfassendes Angebot aufzugleisen, das dannzumal für Romanshorn stimmig sein müsse. Professor Martin Hafen, ehemaliger Dozent an der HF für Soziale Arbeit in Luzern, stellte in der Folge die Bedeutung der Rahmenbedingungen des Aufwachsens vor: «Ganz grundsätzlich müssen wir die Frage stellen: Was brauchen Kinder, in unserem Zusammenhang, von der Zeugung bis zum fünften Lebensjahr?»

Jetzige Elternzeit genügt nicht
Aus verschiedenen Perspektiven betrachtet, lasse sich zum Beispiel feststellen, dass vielfältige Belastungs- und Schutzfaktoren gerade in der frühen Kindheit entscheidend sind für das spätere Leben: «In einer englischen Studie heisst es dazu: ‹Give every child the best start in life›. Konkret bedeutet das zum Beispiel, dass armutsgefährdete Familien unterstützt werden müssen, denn Armut beeinträchtigt die Gesundheit, verkürzt nachweisbar die Lebenszeit. Emotionale Vernachlässigung hat massive Auswirkungen auf das Sozialverhalten im Erwachsenenalter.  Und weil tragende Bindungen in den ersten Jahren matchentscheidend sind, brauchen wir auch in der Schweiz eine Elternzeit, die diesen Namen auch verdient. Denn wenn Eltern wirklich genügend Zeit haben, sich zu kümmern, können sich Antistressgene ausbilden, die moderierend auf Stress wirken», so der Referent.

Klare Aussagen
Aus bildungstheoretischer Sicht fragte sich Hafen, warum in der Frühen Förderung (und Bildung) so wenig investiert werde, zumindest im Vergleich mit dem anschliessenden Bildungssystem: «Und aus volkswirtschaftlicher Perspektive ist klar, dass der ‹return of invest› bei der Frühen Förderung am grössten ist. Dies zeigt die sogenannte ‹Heckmann-Kurve› (nach dem gleichnamigen Wirtschaftswissenschaftler) unmissverständlich auf. Insgesamt erachte ich die Situation und das politische Bewusstsein dafür in der Schweiz als unzureichend. Demgegenüber ist das zivilgesellschaftliche Engagement recht gross. Bei den familienergänzenden Betreuungs- und Bildungsangeboten, die mitunter zahlreich sind, ist die Qualität zentral. Und dazu gehört ganz klar, dass die Wertschätzung für all diese Berufe steigen muss. Das braucht entsprechende finanzielle Mittel und eine Öffentlichkeit, die die Wichtigkeit der Frühen Förderung erkennt.»

Kinder brauchen Räume
In einer ersten Gesprächsrunde unter der Leitung von Maya Mulle äusserten sich die Hebamme Tatjana Gschwend, die Spielgruppenleiterin Jana Hildenbrandt und Schulleiterin Andrea LoPresti: «Wichtig ist die Erreichbarkeit der Eltern nach der Geburt, dass sie die Folgeangebote kennen und dass sie auch begleitet werden, entsprechend ihren Bedürfnissen und Notwendigkeiten.» Und die Fachfrauen und der Referent waren sich einig: «Die Vernetzung, die Zusammenarbeit mit den Eltern soll ressourcenorientiert, auf Augenhöhe und freiwillig geschehen.» Der Kanton ist seit Jahren dran, mit dem «Primokiz-Modul» – und Romanshorn ist mit dem Projekt «Frühe Förderung» mit drin und wird auch Erfahrungen anderer Gemeinden nutzen können: Im laufenden und folgenden Jahr wird die Situation analysiert, das Konzept dazu erarbeitet und umgesetzt und dann evaluiert.
In kleinen Gruppen diskutierten abschliessend die Fachpersonen und interessierten BesucherInnen Fragen wie «Welche Bedeutung hat und soll das Projekt für Romanshorn haben? Was kann an der jetzigen Situation verbessert, worauf kann aufgebaut werden? Und was braucht es, dass der angestossene Prozess erfolgreich verlaufen wird?»

Markus Bösch

 

 


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