Lebensräume vernetzen – Mehrwerte für Natur schaffen

  22.02.2024 Kultur&Natur, Romanshorn

Natur, Erholungs- und Grünräume, Artenvielfalt: Dazu wissen Marcel Metzger und Marco Bertschinger einiges zu erzählen. Auf einem Rundgang vom Brüggliquartier zum Pestalozzischulplatz und zum Dorfbach.

An einem Samstagmorgen: Auf den Grünflächen zwischen Birnen- und Quittenweg säumen Wiesen und Hagebuttensträucher die Wege. Es ist noch ruhig, der Spielplatz leer: «Von aussen gesehen bringen die Obstbäume eine positive Grundstruktur zwischen die Überbauungen – ganz im Sinn von traditionellen Obstwiesen. So wie es früher sehr oft ausgesehen haben mag. Dass hier auch alte Bäume stehen gelassen wurden, zeugt von weitsichtiger Planung. Diese bieten Unterschlupf für zahlreiche Käfer und Insekten, vielleicht auch mal für einen Specht», mutmasst Marco Bertschinger, Projektleiter Bau und Umwelt bei der Stadt.

Die ganze Fläche wirkt als spannender, grüner Freiraum. Bäume bieten Schatten und sind wichtig fürs Mikroklima. Die stehen gelassenen Rohrkolben sind wichtige Überwinterungsstrukturen für viele Insekten und Spinnen, ein Mehrwert für die Natur in Bezug auf die Artenvielfalt. Trotz der einladenden Bänke kann man sich hinsichtlich des hohen Grases fragen, inwieweit diese Grünräume zum Spielen und Verweilen genutzt werden. Insgesamt zeugen solche Flächen – genauso wie Gärten an sich – von menschlichen Eingriffen. Was wird zugelassen und wo wird bewusst gestaltet?», sagt Marcel Metzger. 

Spannend
Ein Teil des Schulplatzes beim Pestalozzischulhaus sieht naturnah aus, eingebettet ist eine Sitzarena mit grossen Blocksteinen: «Wir sehen hier einen modellierten, strukturreichen Teil. Es kann spannend sowohl für die Kinder als auch für die Natur sein. So sind einzelne Pflanzenstängel stehen gelassen, eine Überwinterungsstruktur zum Beispiel für Wildbienen. Und dort wächst ein Feldahorn, allenfalls ein Zukunftsbaum. Gleichzeitig sehe ich mit der Goldrute auch Neophyten. Die naturnahe Pflege einer solchen Fläche braucht Fachkompetenz», erklären Metzger und Bertschinger.

Aufenthaltsqualität(en)
Die Velofahrt geht weiter an den Bachweg zum Dorfbach, zur Kreuzung Sportplätze und Weitenzelg-Schulhaus: «Man sieht, die Erlen, die das Ufer säumen, sind gewachsen und recht gross geworden. Ebenso die Kopfweide, ein eigentliches Kulturgut. Wenn Bäume und Sträucher hoch werden, fängt die Landschaft an räumlich zu wirken», sagt Marcel Metzger. «Mit dem Schatten dieser Pflanzen verbessert sich zum einen das Mikroklima, zum anderen wird die Aufenthaltsqualität erlebbar. Das wird zum Beispiel mit der Geräuschkulisse spürbar, wenn der Bach – wie jetzt nach den Niederschlägen – vor sich hin plätschert. Auch Richtung Kreuzlingerstrasse, wo Bänke und die grosse Holzbrücke zum Verweilen einladen. Wichtig ist der unregelmässige Wechsel von offenen und geschlossenen Uferstrecken, mal besonnt, mal beschattet. Man sieht allerdings auch, dass man sich bei der Pflege in diese Lebensräume hineindenken muss: Wo beginnt der Wasserrand und wo bleibt die Magerwiese? Südexponierte, trockene Bereiche sollten entsprechend unterhalten werden, damit sie Unterschlupf für Wildbienen und Erdhummeln bieten können», erklärt Marco Bertschinger.

Und wenn beide dafür plädieren, dass auch am Bachweg, an den Ufern des Dorfbaches, das Laub liegen gelassen werden kann und soll, schlagen sie den ganz grundsätzlichen Bogen zu den zahlreichen, privaten Gartenanlagen: Vielerorts kann ein (grosser) Teil des Laubes eben liegen gelassen und allenfalls zu Haufen geschichtet werden. Es ist eine eigentliche Ressource für die Natur und Lebensraum und Überwinterungsort für viele Insekten, Amphibien und Kleinsäuger. Genauso wie viele Stauden und Pflanzenstängel, die erst bei Beginn des Neuaustriebs im Frühling zurückgeschnitten werden sollten. In diesem Sinn tut ein bisschen mehr ‹geordnete Unordnung› dem Garten und der Natur gut», sind die beiden Fachleute überzeugt.

Markus Bösch


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