Kyudo – Konzentration aufs Bogenschiessen

  27.01.2022 Sport&Spiel, Romanshorn

Seit 22 Jahren übt und lehrt Jörg Bernhardt das japanische Bogenschiessen Kyudo: Er will mit seinem Hobby und seinen Kenntnissen junge Menschen ansprechen und begeistern. Ein Gespräch mit dem IT-Manager und Kyudo-Lehrer, der seit 9 Jahren in Romanshorn lebt.

Ich sehe dich im ehemaligen Schiess-Stand Monrüti mit einem gespannten Bogen, gekleidet wie ein japanischer Samurai. Das scheint irgendwie aus der Zeit gefallen?
Jörg Bernhardt: Auf den ersten Blick kann dies durchaus so wirken, darum eine erste Erklärung: Als Kind habe ich sehr gern mit dem Bogen geschossen. Letztlich hat mich das Bild eines japanischen Meisters begeistert – wegen seines einfachen Bogens und seines konzentrierten Blicks in der Abschussposition Die starke Konzentration auf die momentane Handlung ist ein typisches Merkmal der japanischen Handwerkskünste wie zum Beispiel Kyudo, Sado (Teezeremonie) und Shodo (Kalligraphie). Jetzt trainiere ich seit 22 Jahren, angefangen in Hannover, Hessen und weiter in Zürich und Zollikon. Heute fasziniert und motiviert es mich, den Abschuss zu perfektionieren, also schnelle und treffsichere Pfeile zu schiessen. 

Also ist es ein Hobby wie andere auch?
Ja und nein: Es war seit meiner Studentenzeit ein intensives Hobby. Weil ich auch nach Corona, die Möglichkeit habe, im Homeoffice zu arbeiten, kann ich wieder intensiver trainieren. Und dies erlaubt es mir, auch eine Kyudogruppe in Romanshorn aufzubauen.
Mittelfristig möchte ich einen Schwerpunkt auch auf die Altersgruppe der 15- bis 25-Jährigen legen. Ich bin überzeugt davon, dass die starke Konzentration auf das Bogenschiessen und die Zielorientierung mit dem unmittelbaren Feedback eine gute Ergänzung darstellt – gerade für junge Menschen in der heutigen, schnelllebigen Zeit. Anders als in der Konsumwelt, die oft auf Knopfdruck erfolgt, wird hier intensiv an der technischen und/oder persönlichen Verbesserung gearbeitet. Obwohl Kyudo für jedes Alter und jedes Geschlecht geeignet ist: Die Schiesstechnik ist für alle die Gleiche und eine Kunst, die sich über die Jahre bis ins hohe Alter verbessern kann.

Kyudo kommt aus dem asiatischen, japanischen Kulturkreis: Hat jemand, der sich vom Bogenschiessen angesprochen fühlt, auch eine Affinität zur japanischen Geschichte und Kultur?
Man macht sich durch die Beschäftigung mit diesem Bogenschiessen automatisch vertraut mit der japanischen Kultur. Ich bin zwar kein Experte, trotzdem verstehe ich viele Prinzipien dieser Kultur, zum Beispiel das lebenslange Lernen oder das Perfektionieren von Bewegungsabläufen mit dem vollen Bewusstsein, dies nicht erreichen zu können. Durch die vielen kyudospezifischen Japanreisen und die daraus entwickelten Freundschaften konnte ich mehr und mehr in die japanische Kultur eintauchen.

Du willst also Schweizerinnen/Schweizer ansprechen für diese «Kultur des Bogenschiessens»?
Ganz genau: Letztes Jahr habe ich den Verein «friends of kyudo» gegründet. Dank der Unterstützung der Stadt konnte ich mit der Nutzung des alten Armbrustschiessstandes eine erste Kleingruppe aufbauen. Ich will mit dem Verein allen Interessierten eine Schnupperstunde für erste Einblicke anbieten. Im Frühjahr und im Herbst wird es jeweils einen Basis- und einen Technikkurs geben. Der Basiskurs ermöglicht den Schützen durch einen intensiven Einstieg einen Einblick ins Kyudo und dient als Entscheidungskriterium, ob dies für einen persönlich langfristig interessant sein könnte. Der Technikkurs wiederum baut direkt auf und lehrt dem Schüler/der Schülerin die acht Grundschritte von Kyudo und ermöglicht so einen zuverlässigen Abschuss mit dem japanischen Langbogen.
Was die Teilnehmer dieser ersten Gruppe festgestellt haben: Die Zeit vergeht wie im Flug. Einerseits lenkt die erforderlich hohe Konzentration von jeglichen anderen Themen ab. Anderseits ist sie zwar anstrengend, führt aber letztlich zur Entspannung. Eigentlich wie ein Bogen, der sich nach dem Schuss auch wieder entspannt.

Für viele Sportarten braucht es eine entsprechende, teilweise auch teure Ausrüstung. Wie sieht das beim Kyudo aus?
Der Lernende, der Kyudoka, hat einen Bogen aus Bambus/Karbon oder Glasfieber mit Pfeilen aus Alu, Karbon oder Bambus. Zum Ausziehen der Sehne wird ein Handschuh aus Leder benutzt. Fortgeschrittene Kyudokas tragen die klassische japanische Samurai-Ausrüstung, mit Hakama (Hosenrock) und Gi (Jacke). Damit werden Training, Wettkämpfe und Prüfungen absolviert. Der Verein stellt für das erste Jahr die dafür notwendige Ausrüstung zur Verfügung.

Wie sehen deine konkreten Angebote für die nahe Zukunft aus? 
Das Anfängertraining findet dienstags jeweils von 18 bis 19.30 Uhr im «Ringo no Hana Dojo» (Apfelblüten-Trainingsraum) an der Scheibenstrasse 17 in Romanshorn statt. Das nächste Einsteigerprogramm wird in diesem Jahr von März bis Juni stattfinden. Die nächsten beiden Jahre werden die Weichen stellen: Bei Interesse werden wir uns aktiv in den Schweizer Kyudo-Verband einbringen und das erste hochgraduierte Vereinsmitglied (6ter Dan) aus Japan für weitere Ausbildungen einladen können. Ein Austausch mit japanischen Gruppen ist ein weiterer Ausblick in die Zukunft. 

Markus Bösch


Verein «friends of kyudo» auf Crossiety: https://crossiety.app/groups/16449

Stadt Romanshorn Vereine Kyudo


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