«Aufwühlend und unbequem»
14.12.2023 Kultur&Natur, RomanshornWenn Kulturen aufeinandertreffen und Familien vor Zerreissproben stellen: Mit dem Film «Was werden die Leute sagen?» reihten sich das Kino Roxy und der Verein Sabatina ein in die Kampagne «16 Tage gegen Gewalt an Frauen».
Was alle Eltern dieser Welt verbindet: Sie alle wollen das Beste für ihre Kinder. So wie der pakistanische Vater für seine Tochter Nisha − gezeigt im beeindruckend-beklemmenden Film «Was werden die Leute sagen?». Und je länger er andauerte, desto betroffener hinterliess er die zahlreichen Zuschauerinnen und Zuschauer in ihren Kinosesseln.
Es braucht Dialog
Die Tochter muss sich fügen, physische und soziale Gewalt schlängeln sich durch den Alltag der Familie, die in Norwegen lebt. Es geht bis zur Aussage der Mutter «Wärst du doch tot geboren», denn die Tochter bringt die Familie in Misskredit bei ihren Landsleuten. Der Vater bringt sie zurück ins ursprüngliche Heimatland, wo sie auch physisch misshandelt wird. Zurück in Norwegen soll sie zur Heirat mit einem pakistanischen Mann gezwungen werden. Der Vater spürt ihre Ängste und schaut zu, wie sie aus der Situation flieht.
Die Regisseurin Iram Haq zeichnet darin in grossen Teilen ihre eigene Geschichte nach.
Betroffene stärken
Wenn Eltern merken, dass sie in der für sie fremden Kultur nicht ankommen (können), dass ihre Kinder sie mit der neuen Lebenswelt konfrontieren, werden Ängste wach. Dann steht Tradition dem Neuen gegenüber: «Was wir machen, ist es, den Dialog zu ermöglichen, Geschichten zu erzählen über Ehrengewalt und Zwangsheirat. Damit sensibilisieren wir die Öffentlichkeit. Das ist Sinn und Ziel von Sabatina», sagt Sela Esslinger, die Geschäftsführerin des Vereins. So ist zum Beispiel A., die älteste Tochter, die unter der permanenten Überwachung leidet und keinen Lebenssinn mehr sieht. Erst als sich in einen Landsmann verliebt und dieser den Eltern genehm ist, muss sie nicht mehr aus dem Elternhaus fliehen. Oder da ist jene junge Frau aus Nordafrika, die Gewalt erlebt, ihre Eltern anzeigt und konfrontiert ist mit dem Anwalt, den die Mutter gegen sie einsetzt: «Darum ist es so wichtig, zu informieren, genau hinzusehen, vielleicht sogar selber Kontakte aufzubauen. Damit die Betroffenen unterstützt und gestärkt werden. Denn oft sind sie in diesen Situationen allein.»
Der Verein Sabatina geht zurück auf die pakistanisch-amerikanische Menschenrechtsaktivistin Sabatina James.
Markus Bösch