«Das weckt Widerstand in mir!»

  04.06.2024 Kultur&Natur, Romanshorn

Sie sind gegensätzlich und treffen sich doch im Wesentlichen: Simone Curau-Aepli und Usama Al Shahmani sind starke Persönlichkeiten. So gesehen und gehört am Sonntagmorgen im «persönlich» von Radio SRF. Moderiert von Olivia Roelli, auch bekannt von der Fernsehsendung «Kultur/Sternstunde Religion».

Sie ist geblieben, er ist geflohen – beide mit je guten Gründen: Simone Curau-Aepli ist Unternehmerin, Mutter und Grossmutter und Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes. Und damit ist die 62-Jährige geblieben in einer Institution, die als Kirche nicht als frauenfreundlich gilt: «Genau das weckt Widerstand in mir. Darum bleibe ich und überlasse diese weltumspannende Gemeinschaft nicht den Ewiggestrigen. Auch an dieser Stelle erhält sie spontanen Applaus von den zahlreichen Zuhörern und Zuhörerinnen, die am Sonntagmorgen die Gesprächssendung «persönlich» von Radio SRF im Kino Roxy vor Ort mitverfolgen.

Der 53-jährige Usama Al Shahmani ist Übersetzer und Schriftsteller und 2001 aus dem Irak geflohen. So wie heute in der Diktatur Russland war damals Kultur und Literatur in meiner Heimat gefährlich für das Regime. So wie damals mein Theaterstück. Und der Irak ist bis heute eine Diktatur, einfach in anderen Kleidern, ein Land, in dem die Radikalisierung krass ist.»

Wir tragen diese Menschen mit uns
Unverständlich sei, dass noch heute viele Frauen – gerade auch in den Religionen – im Schatten stünden, gleichwohl es zum Beispiel in der Geschichte Mesopotamiens viele Dichterinnen und Künstlerinnen gegeben habe: «Ich selbst bin geprägt von meiner Grossmutter, die mir die Nähe zur Natur und Räume geöffnet hat, von meiner Tante, die mir das Lesen gezeigt hat. Ich bin überzeugt, wir tragen diese Menschen ein Stück weit mit und ins uns weiter.» Seine Gesprächspartnerin erzählt dann in diesem Zusammenhang von ihren Schuljahren im Fraueninternat, einem «Ort voller Energie, einer damals schon wertebasierten Lebensschule für mich».

Im Verlauf der sonntäglichen Talkstunde kommt die Rede dann auf 45-jährige Ehe: «Zum einen ist es ein grosses Geschenk, das wir uns gefunden haben. Und wir haben daran gearbeitet, indem wir uns füreinander interessier(t)en und auch gemeinsam (im gleichen Unternehmen) gearbeitet haben. Gemeinsam kochen dagegen geht gar nicht, auch wenn wir beide gern kochen.» Ein Stichwort für den irakischen Schriftsteller: «Ich koche sehr gern, zum Beispiel ‹den Gruss des Frühlings›. Natur, Wald und Bäume sind für beide wichtig» Der Autor musste lernen, diesen Lebensraum erst neu wahrzunehmen und die kirchlich engagierte Frau sagte: «Das Schöne ist, dass wir in der Mutter Erde verwurzelt sind (sein sollten), im Streben zum ‹Vater Himmel›.» 

Den Bogen hin zum Gemeinsamen spannten sie gegen Schluss der Runde, wenn Simone Curau philosophisch fragt: «Wenn wir jetzt, kurz vor und bei unserer Pensionierung vom Ersparten leben, fragen wir ganz ernsthaft und neu: Was brauchen wir eigentlich zum Leben?» Und der Schriftsteller, der immer in Kontakt mit Sprache sein will und muss, fügt an: «Was ich brauche zum (Über-)Leben, hat auch damit zu tun, wo ich lebe!»

Markus Bösch
 


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