Der Angst Stärke entgegenhalten
30.10.2025 Politik, RomanshornUnter dem Motto: «Geopolitik im Fokus» referierte der Staats- und Politikwissenschaftler Prof. em. Dr. Christoph Frei in der Autobau-Erlebniswelt Romanshorn über die Rolle der USA und deren Einfluss auf Europa und die Schweiz.
Frei holte aus in die Zeit, als bis weit ins zwanzigste Jahrhundert hinein die wirtschaftliche, technologische und militärische Überlegenheit des Abendlandes vor allem durch die Kolonien Englands und Frankreichs das Weltbild prägten. «Bis 1960 konnte man in europäischen Zoos Menschen aus Afrika anschauen – und noch heute sind Hierarchien kognitiv so tief verwurzelt, dass im Denken der Westler alle Entwicklungsländer Hilfe brauchen, damit sie so werden können wie wir, entwickelt, gebildet demokratisch, wohl auch christlich. Von diesem Denken müssen wir uns verabschieden. Ja, sie kommen, überholen uns gar», so der Referent. China sei technisch und digital dem Westen inzwischen überlegen. China kenne dabei deutlich stärkere Einbindungen in das Kollektiv, der Einzelne habe nicht die gleiche Bedeutung wie bei uns im Westen.
Nicht im Krieg − nicht im Frieden
Amerika nahm nach dem Zweiten Weltkrieg lange die Hauptverantwortung für die Weltordnung wahr − militärisch, politisch und wirtschaftlich. Das ermöglichte unter anderem auch der Schweiz eine jahrzehntelange Phase wirtschaftlichen Aufstiegs über Marktzugang im Rest der Welt. «Längst haben wir unsere Unabhängigkeit ausgetauscht gegen Wohlstand. Heute sind wir nicht im Krieg, aber auch nicht im Frieden.» Man könne Trump vieles vorwerfen, doch er halte uns einen Spiegel vor: «Wir müssen lernen, unsere Probleme selbst zu lösen.»
Wie mit den Herausforderungen umgehen?
Im Podiumsgespräch zwischen Christoph Frei und Dr. oec. HSG Stefan Jäger wurde diskutiert, welche Folgen die Erosion der regelbasierten Weltordnung für Wohlstand und Sicherheit hätten. Aus dem Publikum kam die Frage, wie die nächste Generation mit den Herausforderungen bestmöglich umgehen könne. Es gelte der Realität ins Auge zu schauen. Unter heutigen Bedingungen sei autonome Verteidigung eine Illusion: «Wenn wir von der Schutzfunktion der Nato profitieren, müssen wir zumindest finanziell mittragen, unser Verteidigungsbudget massiv erhöhen. Es wäre schön, wenn die Politik führt, statt der Mehrheitsmeinung nachzulaufen», so Frei. Keine Abstimmung mehr über eine Erhöhung des Rentenalters zu lancieren, weil die Stimmbürger das nicht gutheissen würden, komme einer Abdankung gleich.
«Politiker müssen Notwendigkeiten nicht nur erkennen, sondern auch kommunizieren.»
«Ängstlichkeit ist keine Option»
Die Weltlage sei ungemütlich, aber Ängstlichkeit keine Option. In Bezug auf Putin findet Frei es falsch, diesem zu bestätigen, dass die Ukraine niemals zur Nato komme. Die Antwort auf Putins Machtdemonstrationen könne nur sein, eigene Stärke zu entwickeln und zu zeigen. Es sei ein überkommenes Denken aus der Zeit abendländischer Dominanz zu meinen, andere Völker müssten den gleichen Weg in die Moderne wählen wie wir.
Trudi Krieg


