Die Aach: Gewässermanagement im Zeichen von Klimawandel, Hochwasserschutz und Lebensraum

  16.07.2025 Kultur&Natur, Salmsach, Romanshorn

Die Aach, der zentrale Gewässerlauf im Oberthurgau, steht beispielhaft für die vielschichtigen Herausforderungen der heutigen Gewässernutzung. Zwischen ökologischer Aufwertung, Hochwasserschutz und Landwirtschaft treffen unterschiedliche Ansprüche aufeinander – und mittendrin: der Biber und die Seeforelle. Die Jagd- und Fischereiverwaltung des Kantons Thurgau in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Erlen ermöglichten einen Einblick in die Herausforderungen, welche Naturschutz, Gewässerschutz und Landnutzung mit sich bringen. 

Die Aach entspringt im national bedeutenden Moorgebiet Wiimoos östlich von Sulgen und mündet bei Romanshorn in den Bodensee. Aufgrund ihres grossen Einzugsgebiets, der starken Kanalisierung und zunehmender Wetterextreme weist sie ausgeprägte Hochwasserspitzen auf. Der Bach durchfliesst grösstenteils ebenes, intensiv genutztes Landwirtschafts- und Siedlungsgebiet. Als zentrale Achse zweier Vernetzungskorridore verbindet der Gewässerlauf das Thurtal mit dem Bodensee. Ziel der Revitalisierung ist es, entlang der Aach ehemals vorhandene Auen zu reaktivieren und damit einen funktionierenden Feuchtkorridor zu schaffen – sowie den Abfluss nachhaltig zu dämpfen.

In den letzten zehn Jahren wurde die Aach – sowohl vom Bodensee als auch vom Thurtal her – als eines der letzten grossen geeigneten Einzugsgebiete vom Biber besiedelt. Die einst ausgestorbene Tierart hatte nach den ersten Aussetzungen in den 1960er-Jahren wieder weite Teile des ursprünglichen Lebensraums im Kanton Thurgau und im Schweizer Mittelland zurückerobert.
Als sehr aktive Landschaftsgestalter haben Biber die Fähigkeit, ganze Ökosysteme zu verändern. «Diese Gabe ist ein grosser Segen für den Naturschutz und die Revitalisierung der Gewässer», sagte Michael Vogel, kantonaler Biberbeauftragter und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Jagd- und Fischereiverwaltung. «Gleichzeitig ist sie auch zentraler Konfliktpunkt in der Kulturlandschaft, in die der Biber zurückgekehrt ist.» Wenn der Biber in der Aach wirkt, freuen sich die einen über gedämpfte Abflussspitzen und die Wiederherstellung verschwundener Feuchtlebensräume, während andere verärgert sind – etwa wegen vernässter Felder oder Schäden an Infrastruktur. «Selbst in der Tierwelt können einige am Biberdamm sprichwörtlich anstehen», merkte Vogel schmunzelnd an.

Heimische Seeforelle
Die Aach ist ein sehr wichtiges Laichgewässer für die seit jeher im Bodensee heimische Seeforelle.  Die intensiven menschlichen Eingriffe im letzten Jahrhundert an Zuflüssen und See haben der Seeforelle stark zugesetzt. Der See wurde überdüngt, viele Fliessgewässer kanalisiert und technisch verbaut. Ab den 1950er-Jahren gingen die Bestände dramatisch zurück.

«Die Seeforelle wäre beinahe ausgestorben», sagt der Fischereiaufseher Markus Zellweger. Als Reaktion wurden rund um den See grosse Anstrengungen unternommen, um einen ökologischen Kollaps zu verhindern. Dank dem Auf- und Ausbau von Kläranlagen konnte innerhalb von gut 30 Jahren fast wieder die ursprüngliche Wasserqualität eines nährstoffarmen Alpenrandsees erreicht werden.

Doch für die Seeforelle reicht Wasserqualität allein nicht aus. «Die Seeforelle lebt im See, doch zum Laichen wandert sie in die Zuflüsse – diese erreichte sie lange Zeit kaum», erklärt Zellweger. Wehre, Schwellen und verbaute Ufer erschwerten die Fortpflanzung, da weder freie Wanderwege noch ausreichend kiesige Laichplätze vorhanden waren. Revitalisierungen trugen zur ökologischen Aufwertung und besseren Vernetzung der Fliessgewässer bei. Besatz und Fangbeschränkung stützten die Bestände zusätzlich. «All diese Massnahmen zeigen Wirkung – die Seeforelle ist zurück, zumindest in Teilen», sagt Zellweger. «Aber sie bleibt eine verletzliche Art, deren Erhalt auch in Zukunft aktives Engagement erfordert.»

Langfristige Lösungen
Die Gemeinde Erlen war in der Vergangenheit immer wieder mit Hochwasserereignissen und den Herausforderungen des Gewässerunterhalts an der stark verbauten Aach konfrontiert. «Die Aach ist technisch geprägt, eng geführt und das Steilufer kaum von Gehölzen gesäumt – das macht den Unterhalt in vielen Abschnitten aufwändig», sagt Jörg Bürgisser, Leiter Hoch- und Tiefbauamt der Gemeinde Erlen im Ruhestand. Mit dem Biber kam ein weiterer Faktor hinzu. «Der Biber ist kein Planer, er baut, wo er will und nicht immer dort, wo wir es uns wünschen», so Bürgisser. Doch nicht nur die tierischen Aktivitäten, auch die Erwartungen von privaten Grundeigentümern stellten die Gemeinde immer wieder vor grosse Herausforderungen. Im Bestreben um langfristige Lösungen setzt Erlen auf Revitalisierungsprojekte. Eines wurde im vergangenen Jahr im Abschnitt zwischen Erlen und Engishofen umgesetzt. «Das war ein erster, wichtiger Schritt – aber auch eine gute Übung im Umgang mit Naturdynamik und dem Einbezug von LandwirtInnen», erklärt Bürgisser. Der Biber wirkte dabei vor, während und nach den Bauarbeiten mit.

Nicht immer herrscht unter den beteiligten Akteuren Einigkeit darüber, welche Ansprüche und Herausforderungen Priorität haben. Sinnvolle Lösungen zeichnen sich nicht durch die Maximierung einzelner Ansprüche aus, sondern durch den Blick auf den grösstmöglichen Gesamtnutzen. 

Jagd- und Fischereiverwaltung des Kantons Thurgau


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