Herausforderungen: Energiekrise und neue Aufgaben

  19.01.2023 Wirtschaft, Romanshorn, Salmsach, Uttwil

Nicht erst seit der Energiekrise stehen Kaminfeger im Fokus: Je länger, desto mehr verändern sich ihre Arbeitsbereiche. Sie werden von Grob- zu Feinmechanikern. Ein Gespräch mit Jürg Hugentobler.

Als Jürg Hugentobler vor fast 40 Jahren seine Lehre als Kaminfeger begonnen hat, machten Öl- und Holzheizungen weitaus den grössten Teil der Kaminfegerarbeiten aus: «In den Neunzigerjahren kamen neben der Reinigung von Feuerungsanlagen auch die Abgasmessungen bei Öl- und Gasheizungen dazu. Und bis heute wird die Funktionsweise derselbigen immer komplexer. So braucht es zum Beispiel bei der Reinigung von neuzeitlichen Feuerungen zuweilen sogar die Konsultation des Handbuches, um eine korrekte Reinigung auszuführen.» Hugentobler legt Wert darauf, dass seine Mitarbeiter stets Weiterbildungen betreiben, um den täglichen Anforderungen gewachsen zu sein.

«Oft und zunehmend sind wir auch als Berater tätig, zum Beispiel bei Holzzentralheizungen, bei der Einstellung der Heizungen an sich, oder wenn es bei Sanierungen ganz allgemein um die Form des Energieträgers geht», erzählt Hugentobler. Nach seiner Lehre hat er eine Zeitlang bei seinem Onkel und auch bei seinem Vater gearbeitet, bevor er als Kaminfegermeister in Wil gewählt wurde.

Nach der Pensionierung von Kurt Hugentobler 2005 wählte die Hafenstadt seinen Sohn Jürg als dessen Nachfolger, damals noch in Monopolstellung. Am 1. Januar 2021 wurde dieses System durch die Liberalisierung abgelöst. Heute werden die Kundinnen und Kunden in der Hafenstadt von Beni Koller betreut, der seit 28 Jahren vor Ort unterwegs ist.

Abwechslungsreich
Bei heutigen kondensierenden, und damit effizienten, Ölheizungen ist eine jährliche Nassreinigung des Heizkessels angesagt: Damit werden die Heizflächen von schwefelhaltigen Verbrennungsrückständen neutralisiert. Es braucht einen sauberen Übergang von der Flamme zum wasserführenden Teil. Mit der Entfernung der Verbrennungsrückstände nimmt der Ölverbrauch ab. Abgasmessungen braucht es gemäss LRV alle zwei Jahre. Dadurch wird ein wirtschaftlicher Betrieb möglich, die Energiebilanz wird besser und Schadstoffemissionen verringert. Ähnlich wie bei der kondensierenden Ölheizung werden bei der Gasheizung der Wärmetauscher gereinigt und Rückstände entfernt. Abgasmessungen sind nötig nach jeweils vier Jahren (diese werden in Romanshorn durch die Gasversorgung vorgenommen). Bei der Reinigung von Holzheizungen wiederum ist Kaminfegerhandwerk gefragt, ist die körperliche Arbeit anstrengender: «Um einen möglichst rauchfreien Betrieb, einen geringeren Schadstoffausstoss und weniger Geruchsbelästigungen zu erzielen, ist das korrekte Anfeuern entscheidend: Die Verbrennung von Holz geschieht dabei in drei Phasen, dem Anfeuern, dem Dauerbrand und der Ausbrandphase» (siehe Box unten).

Deutliche Sprache
Heizungen mit fossilen Brennstoffen müssen in Zukunft abnehmen – und sie tun es auch, wie die Zahlen der vergangenen Jahrzehnte für Romanshorn deutlich machen: 2006 gab es noch 780 Ölheizungen, heute sind es 38 Prozent weniger, also etwa deren 480. Die fossilen Brennstoffe Öl und Erdgas werden zunehmend von Wärmepumpen ersetzt. Zudem nehmen Holzfeuerungen zu und das macht auch Sinn, denn mit dem Holz wächst die Energie geradezu «vor unserer Haustür» und wir nehmen unseren Heimvorteil mit. Holz macht unabhängig, ist CO2-neutral und die Wertschöpfung bleibt in der Region. Denn durch die kurzen Versorgungswege ist Holz einer der umweltverträglichsten Energieträger.

Was diesen Winter Sorgen macht, ist der Betrieb von Öfen und Cheminées, die lange nicht mehr in Betrieb waren, so Hugentobler: «Seit der Liberalisierung ist der Eigentümer respektive Anlagenbetreiber selber für Reinigung und Kontrolle verantwortlich. Diesen Herbst erfolgten zahlreiche Anfragen, um ebensolche Anlagen wieder in Betrieb zu nehmen.»

Kaminfeger auch in Zukunft
Trotzdem werde ihm die Arbeit wohl nicht so rasch ausgehen: Im vergangenen Jahr wurden in Romanshorn, Salmsach, Uttwil und Kesswil 1569 Reinigungen und 617 Feuerungskontrollen vorgenommen. Streng war es besonders in diesem Hitzesommer gewesen. Und im Herbst sind viele Zweitfeuerungen kontrolliert worden – Stichwort «Energiekrise». Allerdings sind die klassischen Arbeiten des Kaminfegers rückläufig: «Ich denke, wir befinden uns in einer Art Übergangsphase. Das sieht auch unser Verband so, wenn er daran ist, sich neu aufzustellen. So absolvieren die Lehrlinge in den ersten zwei Jahren noch immer die Grundausbildung. Im dritten Jahr wählen sie dann zwischen der Fachrichtung ‹Abgasmessung Feuerungen› und der Fachrichtung ‹Lüftung›.» Dann sind die Kaminfeger auch in der Lage, Lüftungsanlagen zu reinigen. Innovative Kaminfegerbetriebe bauen damit ein zweites Standbein auf. Auch die Reinigung von Solaranlagen wird angeboten: «Wir bieten diese Dienstleistungen in Zusammenarbeit mit spezialisierten Unternehmen an.»

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Markus Bösch
 

Richtig einfeuern
Es gibt einfache Mittel, um bei Holzöfen Schadstoffe zu reduzieren: Das Feuer sollte auf dem Holzstapel entfacht werden und von oben nach unten abbrennen. Dadurch brennt das Holz effizienter und es entsteht weniger Rauch. Dazu braucht es eine genügende Luftzufuhr. Und das Holz muss trocken, nicht kalt und selbstverständlich unbehandelt sein (mb/K-Tipp Wohnen).

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