Kanton Thurgau schaut genauer in den See

  19.07.2024 Kultur&Natur

Klimawandel und Quaggamuschel stellen für den Bodensee eine grosse Herausforderung dar, da sie verschiedene Prozesse beeinflussen. Um diese Entwicklungen besser zu verstehen, betreibt das Amt für Umwelt seit Frühling 2024 eine vollautomatische Messboje im Untersee. Diese Ergebnisse ergänzen Untersuchungen, die das Amt zusammen mit der Internationalen Gewässerschutzkommisson für den Bodensee (IGKB) seit 50 Jahren durchführt.
 
Der Bodensee liefert Trinkwasser für mehr als fünf Millionen Menschen. Er ist aber auch ein Tourismusmagnet sowie Lebensraum für unzählige Pflanzen und Tiere. In jüngster Zeit gewinnt er als Energiequelle an Bedeutung: Verschiedene Initiativen rund um den See wollen ihn für eine thermische Nutzung anzapfen. Das Amt für Umwelt des Kantons Thurgau ist bestrebt, den Schutz des Gewässers mit den vielfältigen Nutzungsinteressen in Einklang zu bringen. «Um die Lebensgrundlage See nachhaltig zu schützen, müssen wir seine Funktionsweise besser verstehen», betonte Martin Eugster, Chef des Amts für Umwelt (AfU), an der Sommermedienfahrt in Steckborn. Der Thurgau ist im Rahmen der Internationalen Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB) für die Beobachtung des Untersees zuständig. Seit über 50 Jahren werden in einer monatlichen Messreihe die chemischen Inhaltstoffe des Sees dokumentiert. So lässt sich beispielsweise nachzeichnen, dass der Phosphorgehalt nach einer Hochphase um 1975 wieder zurückgegangen ist und heute in einem natürlichen Bereich liegt. «Der See ist also – einfach gesagt – sauberer geworden», sagte Eugster. 

Biologische Untersuchungen erhalten mehr Gewicht 
Die Herausforderungen sind heute nicht weniger. Sie betreffen beispielsweise den Anstieg der Wassertemperatur und die Verschlechterung des Sauerstoffgehalts als Folge des Klimawandels. Weiterhin im Fokus stehen der Rückgang der Felchen sowie die exponentielle Ausbreitung der Quaggamuschel. Um diese Prozesse besser zu verstehen, habe die IGKB im Jahr 2023 ihr Untersuchungsprogramm angepasst, erläuterte Heinz Ehmann, Leiter der Abteilung Gewässerqualität und -nutzung. Nebst chemischen Messungen wurde den biologischen Untersuchungen mehr Gewicht eingeräumt. Diese umfassen heute unter anderem Wasserpflanzen (Makrophyten), Fische, Zoo- und Phytoplankton oder Neobiota. Hier kommt die neue Messboje ins Spiel, die das Amt für Umwelt im Mai zwischen Steckborn und Gaienhofen eingewassert hat. Sie schickt stündlich einen Sensor Richtung Seegrund, um verschiedene Parameter zu messen. «Mit der neuen Messboje erhoffen wir uns ein noch genaueres Bild davon, wie sich der See entwickelt», sagte Robert Holzschuh von der Fachstelle Hydrometrie. Die Boje übermittelt die Messdaten regelmässig an seine Fachstelle. Daten wie etwa die Wassertemperatur sollen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Jedoch fehlt hierfür noch die Schnittstelle. «Die Daten werden aber bereits aufgezeichnet», versicherte Holzschuh.

Erkenntnisse über ökosystemische Veränderungen
Die Messboje ermöglicht es, bestehende Messreihen zu ergänzen und ausgewählte Parameter wie den Sauerstoffgehalt oder das Chlorophyll A, das Aussagen über die Biomassenproduktion zulässt, hochaufgelöst zu erfassen. «Diese Basisdaten helfen, die biologischen Prozesse besser einordnen zu können«, sagte Ehmann. Als Beispiel nannte er die Quaggamuschel, die 2016 erstmals im See nachgewiesen wurde. Sie verursacht eine Vielzahl von Problemen; verdrängt etwa einheimische Arten, verstopft Anlagen der Wasserversorger oder greift ins Nahrungsnetz des Sees ein, da sie grosse Mengen Biomasse filtriert. «Mit der Messboje erhoffen wir uns weitere Erkenntnisse über ökosystemische Veränderungen, die durch die Quaggamuschel verursacht werden», fügte Ehmann hinzu. Weiter bereitet ihm die Sauerstoffentwicklung des Untersees Sorge. Der Sauerstoffgehalt sei im Hochsommer und Frühherbst über dem Seegrund natürlicherweise sehr gering. Als Folge der höheren Wassertemperaturen sei er jedoch in heissen Sommern bereits ab einer Wassertiefe von 17.5 Metern ungenügend. «Hier erhoffen wir uns mit den Resultaten der Boje ein besseres Verständnis, wie sich der Sauerstoff entwickeln wird.» 

Weitergeführt werden die Messungen und Beobachtungen, die Mitarbeitende der Abteilung Gewässerqualität und -nutzung mit dem AfU-Boot monatlich vornehmen. Diese beinhalten beispielsweise die Sichttiefe oder die Dokumentation des Planktons. Die Messboje dürfte in Zukunft an Bedeutung gewinnen. So ist es nicht auszuschliessen, dass auch der Klimawandel die Wasserqualität und somit den Trinkwasserspeicher von Millionen Menschen auf eine unerwünschte Weise beeinflusst. Martin Eugster, Chef des Amts für Umwelt, betonte deshalb in Steckborn: «Ein genaues Monitoring und wirkungsvolle Gewässerschutzmassnahmen, die keine Grenzen kennen dürfen, sind zentral.»

Amt für Umwelt des Kantons Thurgau


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