Leser zum Mitschwingen bringen

  08.02.2024 Kultur&Natur, Romanshorn, Uttwil

Gert Richter kennt die Welt, die Werbung und die Menschen in seinen Romanen: Seit sechs Jahren wohnt der gebürtige Deutsche in Uttwil. Seinen ersten Roman Angstlabyrinth hat er 2007 herausgegeben.

Eigentlich hat alles sehr viel mit Kreativität zu tun, was er in seinen 79 Jahren bisher angepackt und umgesetzt hat: Nach seinem Studium in Soziologie und Psychologie war er Texter in einer Werbeagentur, hat in Berlin die wohl erste Datenbank der internationalen Werbung gegründet und geleitet, bevor er Deutschlehrer war und Romane verfasst hat: Gert Richter kam 1945 in Bayern zur Welt, verbrachte seine Kindheit in Berlin und studierte in Heidelberg: Vor bald zehn Jahren sind wir an den Bodensee gezogen, 2018 nach Uttwil, erzählt Gert Richter. Er ist verheiratet und hat eine erwachsene Tochter.

Unzählige Werbesprüche
Einen schönen Teil seines Lebens machte die Werbung aus: Richter war Marktforscher und Texter in einer Industriewerbeagentur, bevor er 1985 die erste

Datenbank für internationale Werbung in Berlin gegründet hat: Da haben wir täglich gegen hundert Zeitungen und 35 Fernsehsender angeschaut und die Werbesprüche gesammelt. So kamen etwa 1,5 Millionen Slogans zusammen. Nach dem Aufkommen des Internets habe ich die Firma verkauft und als Deutschlehrer für Erwachsene bei Berlitz und Inlingua in Lausanne gearbeitet. Und während dieser Zeit sind auch die ersten Romane entstanden.

Wie und warum tun Sie es?
Bis heute sind es zehn, mit so klingenden und verheissungsvollen Namen wie Angstlabyrinth, Das ist das Glück oder Harakiri kommt: Doch, so Richter ziemlich bestimmt, «meine zwei Lieblinge sind ‹Anne lieben› und ‹Ich höre dich, du hörst mich nicht› – im ersteren behauptet Anne, dass sie in andere Menschen eindringen und ihnen Träume machen kann. In ‹Ich höre dich…› werden zwei parallel ablaufende Geschichten erzählt, in denen sich mit fortlaufender Handlung die Protagonisten kennenlernen.» Auf die Frage, ob er denn mit seinem Schreiben etwas bewirken will, sagt er ganz klar: «Nein, ich habe keine Message. Ich schreibe eigentlich für mich selbst, auch weil ich etwas über ein Thema herausfinden will, was mich beschäftigt. Allerdings: Wenn es mir gelingt, mit meine Büchern (und den Bildern, dazu später) meine Leserinnen und Leser zum Schmunzeln oder zum Mitschwingen zu bringen, vielleicht sogar zu einer verständnisvolleren Sichtweise, dann freut mich das. Trotzdem. Weil es mich auch interessiert, wie und warum die Menschen etwas tun. Darum versuche ich mit dem Schreiben auch den Entwicklungen, den Motiven der Protagonisten nachzuspüren.»

Und im wirklichen Leben?
So lerne er seine Figuren sehr genau kennen, oft viel besser als reale Menschen: «Manchmal wünsche ich mir, ich würde ihnen im wirklichen Leben begegnen. Und dann: Was würde ich tun? Meine Figuren kennen mich ja nicht. Könnte ich sie so einfach ansprechen?» Und auf die Frage, ob seine Geschichten autobiografische Züge tragen, sagt er: «Das versuche ich zu vermeiden. Auch wenn eigene Erlebnisse Einzug finden, sind sie aus meinem Lebenszusammenhang gerissen und die Figuren, die zu Wort kommen, frei erfunden. Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass ich mein eigenes Leben nicht so interessant finde, dass ich darüber schreiben müsste.»

Blick für das Besondere
Seit Gert Richter in Uttwil wohnt, hat er begonnen aus seinen Fotos am Computer durch eine künstlerische Umgestaltung Bilder zu «malen»: «Wie beim Schreiben interessieren mich Abbildungen der Realität nicht wirklich. Vielmehr erzähle ich von Empfindungen, Krisen, Ängsten und Heilungen. Wichtig ist mir der Blick für das Besondere, mitunter auch für das Komische. Ich glaube, Bilder wirken unmittelbar, weil sie nicht durch den Kontrollfilter des Verstandes gehen (müssen).» Bis heute hat er vier Bildbände veröffentlicht: «double stops», «Tokyo Travel Diary», «allegretto in blue» und «Sounds». Auf den Websites www.veoveo.com und www.noesnada.ch sind Bücher und Bilder beschrieben.

Markus Bösch


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