Die Titanic vom Bodensee wird 130 Jahre alt
29.06.2022 Wirtschaft, RomanshornVor 130 Jahren am 01. Juli 1892 ist das Raddampfschiff Säntis am Bodensee von der Schweizerische Nordostbahn (heute Schweizerische Bodensee-Schifffahrt AG) in Betrieb gesetzt worden.
Damals gab es keine Autos, kein Flugzeug und das Hauptverkehrsmittel für Personen und Güter im Fernverkehr war die Eisenbahn. Natürlich noch mit Kohle und Dampf, die Elektrifizierung war damals ganz neu. Im Nahverkehr ging man zu Fuss oder in der Pferdekutsche.
Das Dampfschiff Säntis besass ein Klipperbug mit Bugspriet, wie ein Segelschiff. Dieser wurde dann in der Werftsaison 1897/98 zu einem senkrechten Bug umgebaut.
1920 wurde das Schiff als erstes Bodensee-Dampfschiff von Kohlen- auf Ölfeuerung umgestellt, wodurch die Mannschaft um einen Mann verringert werden konnte. Die Säntis hatte wie die Titanic eine Drei-Zylinder-Dampfmaschine, welche sehr selten ist.
Im Jahr 1933 wurde das Schiff ausgemustert und samt Maschine und Aufbauten im Bodensee über Bug, wie die Titanic, versenkt. Mit zischendem Rauch und am Schluss noch die Schweizer Flagge hochhaltend, verschwand sie vom Tageslicht.
Auf 210 Metern gesichtet
Im Herbst 2013 wurde das Dampfschiff Säntis bei Vermessungsarbeiten im See auf rund 210 Metern wieder entdeckt. Das Süsswasser, die Dunkelheit und die Sauerstoffarmut heben das Wrack hervorragend erhalten.
«Eine Bergung ist technisch kein Problem jedoch privatwirtschaftlich unmöglich. Unsere Firma hat eine Hebung bereits im Jahr 1943 geprüft», sagt der Technische Betriebsleiter, Silvan Paganini. Die Kosten der Bergung und Instandstellung sind immens und für eine privatwirtschaftliche Firma nicht zu finanzieren. Weiter würde der laufende Unterhalt sehr viel Geld verschlingen und wäre nur mit grosszügigen Sponsoren und Fördervereine oder durch die öffentliche Hand zu stemmen. Dies zeigen auch andere grosse Dampfschiffe auf Schweizer Seen.
Auch läuft die Zeit davon. 2020 ratifizierte die Schweiz das Übereinkommen über den Schutz des Unterwasser-Kulturerbes. Dabei werden alle Spuren menschlicher Existenz, die über 100 Jahre ununterbrochen unter Wasser liegen, unter Schutz gestellt und dürfen nicht kommerziell ausgebeutet werden. «Wir hätten also noch bis 2033 Zeit, das Dampfschiff zu bergen, doch dies wäre ein sehr kostspieliges Abenteuer», meint Silvan Paganini.
Wer mit dem Nachfolgerschiff MS Zürich (Baujahr 1933) fahren will, kann dies im regelmässigen Kursbetrieb tun.
Schweizerische Bodensee-Schifffahrt / Redaktion