Tischprochsüch

  10.11.2022 Kolumnen, Romanshorn, Salmsach

Hänzidaaschogmärkt: In Romanshorn folgt auf die meisten Ideen eine Einsprache, es ist der stammhirngeborene Empörungsreflex: Gozaigetlino? Das ist natürlich a) voll in Ordnung, b) eine mit echter Empörung Kraft gestellte Frage, c) ein demokratisches Recht und d) ein bemerkenswerter Stillstandsgarant.

Ischpröchler sehen sich als Schützer und Heger. Sie sind nicht einfach gegen etwas, naaaaaai, nur nicht dafür. Einem Kiosk in der Eigernordwand gäben sie durchaus ihre Zustimmung, aber sicher nööd für einen Söttigen in der Holzeschtanerbadi. Auch sind sie voll für eine lukullische Aufwertung der Stadt am Wasser und eine Verbesserung des kulinarischen Angebots, aber sichernödmitemenemägdonald, Schbinsiäche! Und eher würden sie einen Grillplatz am Fegefeuer bewilligen als einen Spielplatz auf der Bunkerwiese. Weil das und dem so ist, machen sie Einsprachen und entwickeln in der Einsprachebegründung eine ebenso anerkennens- wie bemerkenswerte Kreativität. «Enschpillplazghörtnödufechriegsareal»! Oft ghaietsdenglichufdschnorre und der Spielplatz könnte gebaut werden, aber zwischenzeitlich ist zwar das Baugeschäft Stutz noch da, aber der andere Schtuz ist weg, was Tischpochtruppe saumässig freut: Sie haben gewonnen, ohne Recht zu bekommen. Aber gäll: Tischprochsüch ist nicht auf Romanshorn beschränkt. Einsprachen sind nicht nur für Einzelne, sondern auch für Organisationen Sinn, Zweck und Hobby zugleich. Zum Beispiel die Union der empörten Schindelbewahrer mit dem politischen Namen: Heimatschützer. Sie schützen auf teufelkommraus alles, was dem nagenden Zahn der Zeit vor die Schnauze kommt oder was sich irgendwie zu verändern droht. Heimatschützer sind professionelle Ischpröchler und alles Neue ist per se optische Umweltverschmutzung, einfach weil es neu ist.

Klar ist kein Ischpröchler oder Heimatschützler verpflichtet, Verstand vor Schutzinteresse zu stellen, aber daraus ein Geschäftsmodell zu machen ist – sägemeremoll – unschön. Wenn eine Haltung zum Neuen einfach darin besteht, das Alte älter werden zu sehen, ist das ein Kulturverständnis auf der Basis: Fällt dem Volk was Neues ein, müssen wir dagegen sein. Ist es linguistischer Zufall, dass Heimatschutz und Heimatschtutz so nahe beisammen sind? Nur, was nützt diese Nähe? Mit diesem Schtutz bezahlt man den Spielplatz am allerwenigsten.

Peter Fratton


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote