«Wenn sie erzählen, wird es heftig»

  22.02.2024 Brennpunkt, Romanshorn

Mit dem Film «Die Anhörung» ist die Schweizer Asylpraxis auf den Prüfstand gestellt. Rechtsberaterin Anja Kläusli im Gespräch.

Ohne Action, unaufgeregt und doch voller Bewegung und Emotion: Im Film «Die Anhörung» von Lisa Gerig durchleben vier abgewiesene Asylbewerber/-innen eben ihre Anhörung zu ihren Fluchtgründen noch einmal und beleuchten damit den Kern des Asylverfahrens. Gleichzeitig gibt der Film damit dem an sich verborgenen Asylverfahren ein menschliches Gesicht. Und durch einen einfachen Rollentausch – im Film – wird das Machtverhältnis für einmal umgedreht und die Interviewer des SEM, des Amtes für Migration, beantworten die Fragen der Asylsuchenden. Von dieser spannenden Dokumentation liessen sich am Dienstagabend gegen 60 Besucherinnen und Besucher mit ins Geschehen nehmen – und berühren.

Möglichst detailliert erzählen
Im Gespräch mit Danilo Clematide erzählte die Juristin Anja Kläusli vom Heks-Rechtschutz Ostschweiz über ihre Arbeit als Rechtsbeistand im Bundesasylzentrum in Altstätten: «Ja, die Menschenrechte sind mir wichtig in dieser, oft auch spannenden Arbeit. Allerdings war ich manchmal auch mit schwierigen Schicksalen konfrontiert. Und wenn jemand abgelehnt wurde, war das schon belastend. Sicher haben Menschen, die gut reden können und die bereit sind, sich zu öffnen, bessere Chancen. Darum rate ich oft ‹Erzähle möglichst detailliert.›» Allerdings falle dies nicht allen wirklich leicht, je nach der Kultur, aus der sie kommen. Und das Schweizer Asylverfahren sei nicht nur fair: Zwar hätten die Beschleunigung und auch der obligatorische Rechtsbeistand Verbesserungen gebracht, doch der zeitliche Spielraum der Rechtsvertreterin sei manchmal klein, weil der Schwerpunkt oft bei der Vorbereitung und bei der Nacharbeit liege. Auf die Frage, ob ein positiver Asylentscheid abhängig von der Anzahl der Asylsuchenden sei, verneinte Kläusli. Übrigens: Die vier Asylbewerber/-innen haben ihre Ablehnung weitergezogen, deren zwei wurden gutgeheissen und erhielten die vorläufige Aufnahme mit dem Ausweis F.

Markus Bösch


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