Auf ein Wort
29.06.2023 Romanshorn: offizielle Mitteilungen"O Thurgau, du Heimat, wie bist du so schön..." – so singen wir das Thurgauerlied, bevor wir mit Inbrunst das schöne "Lalala" rausschmettern. Ja, oh Thurgau, du Heimat, oh Thurgau... der du dich selber mit einem Geldsegen von 127,2 Millionen Franken beschenkt hast.
Geld, das in Romanshorn dazu beitragen kann, dass wir vielleicht einen Pier in den See bauen können und damit das räumlich knapp gewordene Seeufer um mehrere hundert Meter erweitern. Es wäre eine Attraktion mit phantastischer Perspektive, wortwörtlich. Sie würde uns künftig den ganzen Bodensee entlang schauen lassen und auch malerische Sonnenuntergänge bringen. Aber bis dahin braucht es noch etwas Zeit und eine finale Urnenabstimmung der Bevölkerung in etwa zwei Jahren.
"O Thurgau, du Heimat" singen wir wie selbstverständlich – doch was bedeutet denn eigentlich Heimat? Aus neurologischer Sicht ist Heimat in jedem Gehirn vorhanden. Es sind Unmengen von gespeicherten Informationen, die in ihrer Gesamtheit ein Gefühl prägen. Dabei ist zu beachten: Je länger man an einem Ort verweilt, desto stärker werden diese verfestigt. Vielleicht ein Grund, weshalb teilweise Jugendliche weniger sorgsam mit Infrastruktur und Umwelt (Littering) umgehen. Diese Heimatgefühle verstetigen sich durch wiederholte Prägung. Nach Ina Maria Greverus, einer deutschen Kulturanthropologin, ist Heimat eine Dreiheit von Gemeinschaft, Raum und Tradition, wo das menschliche Bedürfnis nach Identität, Sicherheit und aktiver Lebensgestaltung entsteht.
Interesse an Lebensraum verbindet
Was Heimat bedeutet, erfährt man, wenn man sie verlässt oder gar verliert, wenn sie in Frage gestellt ist, wie aktuell in der Ukraine. Heimat ist wichtig, gibt Orientierung und Sicherheit. Wir sollten aber auch Heimatlosen die Möglichkeit bieten, bei uns eine neue zu finden. Im Gegenzug habe ich jedoch wenig Verständnis für jene Menschen, die unsere Heimat nicht respektieren oder sie desavouieren. Vielleicht gerade deshalb schreibt Martin Walser: "Wenn es sich um Heimat handelt, wird man leicht bedenkenlos. […] Heimat, das ist sicher der schönste Name für Zurückgebliebenheit“. Diese Aussage meint er aber nicht nur negativ. Tatsächlich stehen wir, wenn es um unsere Heimat geht, in Konflikt zwischen Bewahren und Erneuern. Vielleicht fühlt sich nicht jede oder jeder in Romanshorn heimisch, aber viele tun es. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Personen mit Migrationshintergrund oder um Ur-Romishorner handelt. Sie haben nämlich gemein, dass ihnen ihr Lebensraum wichtig ist. Diese wertvolle Eigenschaft muss immer wieder den Spagat zwischen Weiterentwicklung und Bewahren auf sich nehmen.
Mit dem klaren "Ja" zur Mehrzweckhalle Bach haben sich die Stimmberechtigten kürzlich klar für eine nachhaltige Weiterentwicklung ausgesprochen. Nun war diese Vorlage in Bezug auf Heimat vielleicht weniger umstritten. Dies mag bei kommenden Projekten anders aussehen. So wird besagter Pier die Meinung der Bevölkerung vermutlich diverser prägen. Der Diskurs in Bezug auf Erneuerung und Erhaltung wird jedoch hoffentlich konstruktiv geführt werden.
Denn Heimat ist auch die Tradition, wie etwas hierzulande geregelt wird. Und bei diesem Punkt wollen wir den eingeschlagenen Weg der sachlichen, aber kritischen Auseinandersetzung mit gegenseitigem Respekt weitergehen.
Gerade das soll Romanshorn künftig noch mehr prägen: Die konstruktive Auseinandersetzung fernab von Polemik und Polarisierung. Das schulden wir uns, unseren Nachkommen und vor allem unserer Heimat. Damit auch künftige Generationen noch singen können: "Oh Thurgau, du Heimat, wie bist du so schön..."
Ihr,
Roger Martin