Auf ein Wort

  27.06.2024 Romanshorn: offizielle Mitteilungen

Ist die Demokratie in der Schweiz auf dem Prüfstand? Es gibt sicher Anzeichen dafür. Der ehemalige US-Präsident Lincoln erklärte Demokratie so: "Regierung des Volkes durch das Volk für das Volk."

Sie und ich sind in der glücklichen Lage, in einer Demokratie zu leben. Und erst noch in einem Land mit direkter Demokratie, wo Stimmberechtigte und nicht bloss delegierte Politikerinnen und Politiker über politische Vorlagen entscheiden, wie etwa in Deutschland. Böse Zungen nennen das bei tiefer Stimmbeteiligung manchmal eine nicht repräsentative Diktatur der Mehrheit durch eine Minderheit.

In einem Rechtsstaat wie unserem können sich Leute, die sich ungerecht behandelt fühlen, zudem durch alle Instanzen wehren: Mit Einsprachen, Beschwerden und so weiter. Das ist wichtig und gut, trägt bei Übermass aber auch eine Gefahr im Kern, nämlich die der Aushöhlung der Demokratie.

Klar, Demokratie braucht Zeit
Natürlich sind demokratische Prozesse zu akzeptieren. Und klar dauern diese hierzulande länger als in Russland, China oder Nordkorea. Deutschlands Alt-Bundeskanzler Schmidt sagte: "Das Schneckentempo ist das normale Tempo jeder Demokratie." Dafür sind die erarbeiteten Lösungen dann meist tragfähig. oraussetzung für repräsentative demokratische Abstimmungsresultate ist eine aktive Beteiligung der Bevölkerung an der Ausgestaltung von Vorlagen. Zum Beispiel mit Instrumenten wie einer Mitwirkung. In Romanshorn setzen wir dieses Mittel sehr oft ein, um die konkrete Meinung der Einwohnenden noch vor Abschluss einer Planung abzuholen und einzubauen. Das dient dazu, ein möglichst breites Spektrum an Sichtweisen und Interessen zu integrieren, bevor ein Projekt erfolgsversprechend öffentlich aufgelegt wird oder an die Urne kommt.

Demgegenüber schwächen stetig sinkende Stimmbeteiligungen bei Wahlen und Abstimmungen und wenig mitwirkende Personen bei partizipativen Verfahren die Demokratie. Die politischen Entscheide der Stimmberechtigten sind dann ein Stück weit Zufall, betreffen aber gleichwohl alle.

Wie Einzelne die Demokratie ausreizen
Ein weiteres Glück, aber zuweilen auch eine Geisel, ist der Gebrauch von Rechtsmitteln. Staatliche Entscheide können von Betroffenen angefochten werden. Zum Beispiel bei Baubewilligungsverfahren von privaten wie öffentlichen Projekten. Hier können Einzelne für erhebliche Verzögerungen sorgen.

Beispielsweise bei städtebaulichen Projekten und Infrastruktur wie Raum für Schul- und Vereinssport oder für touristische Zwecke. Auch wenn die Stimmberechtigten klar zustimmen, können einzelne Einsprachen in der öffentlichen Auflage das Projekt auf Zeit erheblich blockieren. Die negativen Folgen trägt leider immer die Bevölkerung. Sei dies, weil allenfalls Provisorien (die notabene auch von den Steuerzahlenden berappt werden) erstellt werden, es mit Slots für den Turnunterricht der Schulen eng wird oder Vereine ihre Tätigkeit einschränken müssen. Schade.

Schneckentempo = Stillstand?
Solche Einsprachen führen nebst dem Unverständnis der Bevölkerung vor allem auch zu einem immensen juristischen und administrativen Aufwand für die betroffene Gemeinde, den Kanton und - wenn es hart auf hart kommt - den Bund. Auch diese Kosten werden selbstredend meist von den Steuerzahlenden berappt. So in Romanshorn: Der Aufwand der öffentlichen Hand in diesem Bereich ist in den letzten Jahren markant angestiegen. Die Kosten für Einsprechende (gerade, wenn sie über eine Rechtschutzversicherung verfügen…) sind in den unteren Instanzen jedoch gering.

Wenn also demokratische Entscheide durch Einzelne verhindert oder verzögert werden können, wird aus dem zitierten Schneckentempo ein Stillstand.

Demokratie heisst, das Verdikt der Mehrheit zu akzeptieren. Nur so können Gesellschaft und somit auch die Demokratie weiterhin erfolgreich sein.

Ihr Roger Martin


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